Mittwoch, 9. September 2015

Klagen von Hartz IV Empfängern unerwünscht: Nahles plant den Abschied vom § 44 SGB X im SGB II | Flaschenpost

Das Sozialgesetzbuch (SGB II) ist die rechtliche Grundlage, auf der die Höhe des Arbeitslosengeldes II, oft auch Hartz IV genannt, berechnet wird. Immer wieder klagen betroffene Leistungsempfänger zurecht über falsche Bescheide, über das Leben unter dem Existenzminimum und die entwürdigende Behandlung in den Jobcentern. Die ihnen vorenthaltenen Leistungen müssen viele vor Gericht einklagen und haben Erfolg. Doch damit möchte Frau Andrea Nahles (SPD) jetzt kurzen Prozess machen und die Möglichkeit für Leistungsempfänger im Zeitraum eines Jahres zu überprüfen, ob der Bescheid der Jobcenter dem aktuellen Recht entspricht, schlicht abschaffen.

Seit der Einführung des SGB II im Jahr 2005 mutiert dieses Gesetz zum Sonderrecht mit verfassungsrechtlich unzulässigen Seiten. Stetig werden von der jeweiligen Bundesregierung Verschlechterungen in der
Rechtsstellung der leistungsberechtigten Personen eingeführt und vom Bundestag kritiklos durchgewunken [1].

Die Bundestagsabgeordneten der regierenden Parteien, sowie die Grünen, machen sich aus unterschiedlichen Gründen (Desinteresse, Kadavergehorsam usw.) überhaupt keine Gedanken mehr zu den Folgen ihrer Entscheidungen für die Leistungsempfänger. Jetzt haben sich Frau Andrea Nahles (SPD) und ihr Team für die komplette Abschaffung des § 44 SGB X für die Leistungsempfänger ALGII im Hartz IV-System (SGBII) entschieden. Diese Abschaffung findet nur im Rechtskreis des SGB II statt [2].

Im Moment kann man seinen Bewilligungsbescheid noch ein Jahr rückwirkend daraufhin überprüfen lassen, ob der Bescheid noch dem aktuellen Recht entspricht. Diese Überprüfung ist dann sinnvoll, wenn z.B, ein Landessozialgericht (LSG) oder das Bundessozialgericht (BSG) durch ein günstiges Urteil neue Rechtsgrundlagen schafft. Diese Regelung wurde durch Frau Ursula von der Leyen ( CDU) schon von vier auf ein Jahr gekürzt [3].

Die Jobcenter und Optionskommunen hingegen haben immer noch die Möglichkeit auf der Grundlage des § 50 SGB X Abs.4 vier Jahre rückwirkend zu Unrecht erbrachter Leistungen einzufordern, wenn sie eine „falsche“ Entscheidung zu ihren Ungunsten getroffen haben, und davon machen diese Behörden reichlich Gebrauch.

In dieser Ungleichbehandlung sehen wir Sozialpiraten einen klaren Verfassungsbruch, weil laut Grundgesetz (GG) vor dem Gesetz alle gleich behandelt werden müssen. Die Gesetzesänderungen des SGB II haben sich aber immer weiter vom GG entfernt. Wenn der § 44 SGB X für die Leistungsempfänger im SGB II durch die 9. Gesetzesänderung zum SGB II (Rechtsvereinfachung) abgeschafft wird, kann man einen fehlerhaften und bestandskräftigen Bescheid nicht mehr angreifen. Das würde dazu führen, dass die Mitarbeiter der Jobcenter sich noch mehr Fehlentscheidungen leisten können, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

[1] Siehe die Verschlechterungen der Sozialgesetze. Wir sind bei der neunten Novelle im SGB II. Man kann jetzt nicht die einzeln Verschlechterungen aufzählen.

[2] Dies eine Vermutung von mir , die ich aufgrund einer Information aus Berlin habe (Martin Künkler Gewerkschaftliche Koordinierungsstelle Berlin http://www.erwerbslos.de ) Schubladenprojekt und ich habe noch nichts anderes gehört. (Kommentar vom Autor Reinhard Beckmann)

[3] § 77 Abs. 13 SGB II und § 136 SGB XII)
§ 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften (1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 Absatz 4 Satz 1 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt.“
§ 116a Rücknahme von Verwaltungsakten Für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts gilt § 44 Absatz 4 Satz 1 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt.“ [...]

Weg mit der #Agenda2010

Quelle: via @Norbertschulze, September 09, 2015 at 04:13PM

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